Johannes Müller
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Ich bin am Tag der Abwertung des Schweizer Frankens, noch vor dem zweiten Weltkrieg in Zürich
geboren, genau zur Zeit, als der Bundesrat die Bevölkerung am Radio zu beruhigen versuchte. Vielleicht
strebte ich aus diesem Grund keine geldorientierte Lufbahn an, sondern liess mich immer auf das ein,
was mich interessierte.
Als erstgeborenes Wunschkind muss ich ein Prinz gewesen sein, bis fünf Jahre später mein Bruder Ueli
kam, der - behindert- besonders viel Zuwendung und benötigte. Einzelkind und dann vergessen... Ich
durfte die Rudolf Steiner Schule in Zürich besuchen. Die war ein bleibender Bezugsort, während wir
alle paar Jahre die Wohnung wechselten. Mein Lehrer beschrieb mich als ein stilles Kind, aufmerksam,
wusste immer alles. Mit 14 erwachte ich, meine Schulkameraden nahmen mich erstmals wahr, und meine
erste Liebe verteidigte ich mit hoher Konfliktbereitschaft gegen soziale Vorurteile meiner Mutter.
In dieser Zeit kam mein Vater aus Italien zurück, wo er mit einem Bruder zusammen geschäften wollte.
Er musste aber wegen der schlechten Konjunktur das Projekt abbrechen. Er schlug sich eine Weile mit
verschiedensten Erwerbstätigkeiten über Wasser, bis er in Bern als eigenössischer Beamter Anker
werfen konnte und dadurch die inner Ruhe bekam, sich ganz der Anthroposophie zu widmen. Und in
dieser Zeit kam auch mein zweiter Bruder Christoph auf die Welt, was mich meiner Erinnerung nach
nicht sonderlich interessierte. Da war soviel anderes, und ich war wohl von meiner Ursprungsfamilie
innerlich schon recht emanzipiert- Vater hatte ich all die Jahre, durch Kriege und Abwesenheit, kaum
gesehen, und Muetti war durch Ueli und nun durch das nicht gesuchte, späte Glück Christoph ganz und
gar ausgelastet. Mit Christoph habe ich viel später eine freundschaftlich brüderliche Beziehung
gefunden, die nach dem Tod der Eltern in der Fürsorge für den behinderten Bruder Ueli sich noch
vertiefte. Christoph und seine Familie haben sowohl meine erste Partnerin, die Tochter Michaela wie
auch meine jetzige Lebensgefährtin in ihr grossen Herzen geschlossen. Doch zurück zur Pubertät.
Die Berufwahl stand bevor. Mein Grossvater mütterlicherseits war Schlossermeister. Vielleicht lockte
mich deshalb das Handwerk. Eine Superlehrstelle als Maschinenschlosser stand bereit.Da hörte ich,
dass am Lehrerseminar Kunst im Mittelpunkt stehe, Musizieren, Gestalten. Ich meldete mich, bestand
die Aufnahmeprüfung und landete bei einem Ex- Nazi als Klassenlehrer, einem sadistischen Geigen- und
einem mürrischen Zeichnungslehrer. Arbeiten musste ich nicht viel, dazu war ich von der Steinerschule
zu gut vorbereitet. Mein Franzlehrer war erstaunt, dass ich einen freien Vortrag halten konnte, die
Englischlehrerin polierte meinen Oxfordakzent, alles war ein wenig langweilig. Nur der Biologie- und der
(zweite) Deutschlehrer mochten zu begeistern. Ich war nicht eng mit der Clique der Klasse verbunden,
war eher ein stilles Wasser. Ich kam manchmal zum Zug, wenn philosophische oder weltanschauliche
Fragen zur Debatte standen. Die Anthroposophie im philosophischen Rahmen beschäftigte mich stark.
Im anschliessenden “Oberseminar” waren ein anthroposophischer Psychologielehrer (Prof. Lutz) und
eine luzider Grundsatzdenker in der Pädagogik (Prof. Gujer) die Höhepunkte. Nach einer ersten
Praxiszeit ging ich wieder an die Uni und studierte Biologie, Pädagogik und Psychologie. Eine
angefangene Diss in Mikrobiologie liess ich nach einem grossen Laborkoller sausen und begnügte mich
mit dem Abschluss als Sekundarlehrer naturwissenschaftlicher Richtung. Parallell dazu und
anschliessend studierte ich Pädagogik und Psychologie, vor allem bei Prof. Widmer und bei Prof. Biäsch
(angwandte Psychologie), bei dem ich das Forschungsseminar als sehr fruchtbar empfand.
In diesem Rahmen machte ich die Bekanntschaft mit der neuen Entwicklung von Lehrprogrammen,
welche mich dann runde 20 Jahre beschäftigte, mit Dutzenden von Projekten, vor allem zu
innerbetrieblicher Schulung von Mitarbeitenden, mehr und mehr auch multimedial. So wurde ich
Didaktiker, Drehbuchautor, Tonbildschau- und Videogestalter, Produzent, daraus hervorgehend auch
Ausstellungsdidaktiker und Buchherausgeber und -autor (Grossausstellungen Pfahlbauland und
Heureka). Auf diese Weise konnte ich das Erbe meines “intellektuellen” Notar-Grossvaters
väterlicherseits mit dem handwerklichen mütterlicherseits verbinden. Interessanterweise trage ich die
Vornamen beider Grossväter Johann und Jakob.
Der Erwerb eines dreihundert Jahre alten Riegelhauses im Zürcher Unterland sprach stark meine
bäuerliche Herkunft an und der Ausbau des Hauses beschäftigte mich zeitweise fast mehr als mein
“Atelier für Didaktik”. Es waren schöne Jahre, mit Schreiben im Baumgarten, mit Produzieren im
Atelier im oberen Stock des Hauses, mit Hund “Prima” für den täglichen Marsch, mit meiner Partnerin
Verena und ab 1976 mit Tochter Michaela. Dies ermöglichten mir grosse Kunden wie die Migros, COOP,
die Winterthur Versicherungen und viele mehr. Sogar Militärdienst konnte ich im Baumgarten machen,
schreibenderweise. Dies nach einer kurvenreichen “Laufbahn” als Militärpilotenschüler, erst auf
Vampire und Venom düsend, was mir meine einstigen Mitschüler NIE zugetraut hätten, dann der grosse
Cafard als alles immer militärischer wurde inkl. virtuellem Bombenabwurf auf Truppenansammlungen, die
ganze Kulturlosigkeit, ein Austrittsbegehren schreibend um Mitternacht, im Morgengrauen eingereicht,
am Pistenrand sitzend während meine Mitstudenten losflogen... Dann die Idee meines liebenswerten
Kommandanten- ich war doch so gut im Funkverkehr und wurde somit umgeschult zum militärischen
Flugverkehrsleiter. Dann nach dem Kontakt auf einer Didacta mit dem Leiter der Abteilung Lehrmittel
und Lehrmethoden Lehrprogramme schreibend, und schliesslich als Drehbuchautor und Realisator beim
Armeefilmdienst. Zu guter Letzt hatte ich als eventuell einziger Soldat der Schweizer Armee einen
Monat zuviel Dienst geleistet, aus Versehen. Das beste daran: Meine Militärausrüstung verstaubte
unbenutzt, nur unterbrochen durch Materialinspektionen.
Irgendwann keimte eine heimliche Sehnsucht, eine Art Heimweh. Nach Kindern und Jugendlichen in der
Schule. Ich erwähnte es bei Gelegenheit und irgendwann kam einer und fragte: Meinst du es ernst? Wir
brauchen dringend jemanden. So kam ich zu meiner Sonderklasse E, lauter besondere Jugendliche ohne
Deutschkenntnisse. Zwei Jahre später übernahm ich eine Oberschule, der selbe Mix, aber schon mit
einem grösseren Vokabular an Injurien bewaffnet. Ausser einem Jahr mit vollem Pensum machte ich
diese Büez fast zehn Jahre mit fünfzig, dann mit 30 Prozent. Daneben noch immer mein Atelier für
Didaktik. Und daneben Altersarbeit: Von 1979 bis 2009 Troubleshooter, Berater und dann Präsident
eines Alters- und Pflegheims- Trägervereins, neun Jahre als operativer Leiter. Es hatte beim
psychologischen Interesse für Altersfragen angefangen, entwickelte sich zu einer ziemlich komplexen
Managementaufgabe und endete nach Aufbegehren in einer sanften Resignation gegenüber der immer
rabiateren Regulierung auf allen Ebenen. Mit einer guten Einsicht in die Mechanismen, welche das
Leistungs- Kostenverhältnis immer schlechter werden lassen. Ich will es deshalb nicht nur meinen
Fähigkeiten zuschreiben, dass nach meinem Ausscheiden stabil schwarze Bilanzen in rote übergingen.
Mit diesem Alters- und Pflegeheim war ich zusätzlich verbunden, weil mein Vater der
Gründungspräsident war. Mit meinem Ausscheiden ging diese Verbindung zu Ende und die Institution
kann sich ganz frei neu erfinden. Ich hatte Mühe, wirklich loszulassen. Erst nach etwa drei Jahren war
ich so weit, dass ich diesem Kind ganz neutral gegenüber stehen kann, so, dass es mich in keiner Weise
besonders berührt.
Durch meinen Status als wenig gewinnorientierter Selbständiger hat es mir zu keiner anständigen
zweiten Säule gereicht. Ich gehöre somit jetzt zu den Einkommensärmeren. Da ich bescheiden lebe,
komme ich gut damit zurecht. Was über das “Grundeinkommen” hinausgeht, kann ich von einigem
Erspartem nehmen.
Der Plan war, nochmals eine berufliche Kurve zu nehmen zum Status eine Berater, Coaches und
Trainers. Dazu habe ich einen guten Schulsack: Ein Trainerstatus in Neurolinguistischem
Programmieren, das mich seit den Achtzigern begleitet hat, eine supergute Ausbildung als Mediator ein
lizenzierter Abschluss als Nie-wieder-Rauchen- Coach sowie als Hypnose und Regressions- Coach. Zu
meinem Erstaunen hat sich etwas anderes durchgesetzt: Die Kunst. Ich spiele Geige, jetzt mit den
Winterthurer Symphonikern. Ich übe also so viel wie noch nie. Und ich male. Ich bin zurück gekommen
auf meine Versuche im Bauernhaus, damals. Und ich schreibe. Gedichte vorerst.
Ja übrigens: Im Bauernhaus bin ich nicht mehr, das verwalte ich nur noch. Ich wohne nach der Trennung
von meiner ersten Partnerin und Umwegen über Schaffhausen und Oberengstringen in einer kleinen
Genossenschaftswohnung in Wollishofen. Und ich bin glücklich mit meiner jetztigen Lebenspartnerin,
die noch ihre eigene Wohnung hat seit jetzt auch schon über zwanzig Jahren.
Was wird noch kommen? Ich geniesse jeden Tag und bin dankbar für alles Neue. Und das ist viel! So
habe ich jetzt occupy entdeckt, die Vollgeldreform und vieles mehr, und versuche meinen Beitrag zur
Verbesserung der Welt zu leisten. Siehe Rubrik “Weltverbesserer”.
Wie sagt man beim Griff an die Stirn: Holz aalange! Danke für’s Lesen,
Johannes (Jack) Müller im Mai 2012